Mathematische Institute
zur Behandlung
der Rechenschwäche / Dyskalkulie

Titel-Grafik: Oberteil eines bunten Würfels

München
Augsburg
Regensburg
Rosenheim

Mathematische Institute zur Behandlung der Rechenschwäche / Dyskalkulie, München – Augsburg – Regensburg – Rosenheim

Presse, TV, Radio

Dyskalkulie

Die Quadratur der Zahlen

Die Entwicklungsstörung Dyskalkulie trifft fast jeden Zwanzigsten.
Auch der Fünftklässler Paul muss wegen der Rechenschwäche eventuell seine Realschule verlassen.
Um das zu verhindern, geht er zur Therapie – und sein Vater vor Gericht.
Eine Hoffnung für viele Betroffene.

Von Leon Lindenberger und Catherina Hess (Fotos)

Paul hält einen gelben Kreidestummel zwischen den Fingern. Als der Zwölfjährige zu schreiben beginnt, quietscht die Tafel. Ein unangenehmes Geräusch, das schriller wird, je stärker die Hand an der Kreide verkrampft, je unsicherer sich der Schüler an der Tafel fühlt.
Noch aber läuft der Stummel flüssig: 2² = 2•2 = 4 und 3² = 9, bis sieben zum Quadrat kommt Paul problemlos. Dann kreischt die Kreide kurz auf und verstummt.
„Acht mal acht?“

Paul schreibt an der Tafel: 8² = 8•8 =

Karin Röpfl blickt Paul erwartungsvoll über die Schulter.
„Acht mal acht ist… Na?“
Paul, nach kurzer Pause: „74?“
Röpfl, neckisch: „Sicher?“ – „Nein.“ – „Acht mal acht ist 64.“
Paul stöhnt kurz auf, das hätte er wissen können.
Dann setzt er die Kreide erneut an und schreibt: 8² = 8•8 = 46.
„Zahlendreher, der Klassiker“, sagt Röpfl ohne Tadel in der Stimme.

Was ist Dyskalkulie?

Wie Paul mit Karin Röpfl an der Tafel die Quadratzahlen übt, in einem Raum, der in Größe und Behaglichkeit eher einem Kinder- als einem Klassenzimmer ähnelt, mag an eine Nachhilfestunde erinnern. Doch Röpfl ist keine Nachhilfelehrerin, sie ist Heilpädagogin.

Karin Röpfl zeigt eine Uhr

Und das hier ist kein Kinderzimmer, sondern ein Therapieraum im ersten Stock des Mathematischen Instituts zur Behandlung der Rechenschwäche / Dyskalkulie, in einem Hinterhof nahe dem Stiglmaierplatz. Hier wird Paul jeden Donnerstag für 50 Minuten betreut – mal eher unterrichtet, mal eher therapiert. Denn Paul hat Dyskalkulie.

Die Weltgesundheitsorganisation führt diese „Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten“ in ihrer Liste der Entwicklungsstörungen. Dyskalkulie, heißt es dort, „betrifft vor allem die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten, wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division“ und sei „nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärbar“.

Gerd Schulte-Körne, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Ludwig-Maximilians-Universität, arbeitet seit mehr als 30 Jahren mit Menschen, die unter Entwicklungsstörungen leiden. In seiner Sprechstunde zeige sich immer wieder die doppelte Belastung durch Dyskalkulie: „Häufig bleibt es nicht allein bei der Rechenschwäche, viele entwickeln auch psychische Probleme, zum Beispiel Angststörungen“, sagt er.

Der Leidensdruck sei erheblich, es bräuchte dringend mehr Behandlungsangebote. Schulte-Körne entwickelt federführend die Leitlinie zur „Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung“ als Handreichung für Eltern, Schulen und Einrichtungen wie das Mathematische Institut. Darin heißt es, Menschen mit Rechenstörung machten bei Mathe-Aufgaben „mehr Fehler und benötigen länger zum Lösen“. Ohne wirksame Therapie könne dies „zu deutlichen Einschränkungen im schulischen, beruflichen aber auch im privaten Bereich“ führen.

Dyskalkulie tritt laut Schulte-Körne je nach Schärfe der Diagnosekriterien bei vier bis fünf Prozent der Bevölkerung auf, also grob bei jedem Zwanzigsten. Im Schnitt betrifft die Störung somit etwa ein Kind pro Schulklasse. In München allein dürften einige Zehntausend Dyskalkuliker leben – Kinder und Erwachsene. Menschen, die in der Hosentasche heimlich mit ihren Fingern zählen und aus Verlegenheit lieber mit großen Scheinen zahlen, um nicht versehentlich zu wenig zu geben. Menschen, die lieber eine halbe Stunde zu früh zu einer Verabredung fahren, um nicht wegen eines Rechenfehlers zu spät zu kommen.

Am Institut für Rechenschwäche

Was denkt ein Kind mit Dyskalkulie über Zahlen?

Kinderzeichnungen mit (un)geordneten Zahlen

Diese Frage stehe am Anfang jeder Therapie, erklärt Beate Lampke, Diplom-Psychologin und Leiterin des Mathematischen Instituts.

Erst einmal müsse man an den Punkt zurückgehen, wo das Verständnis ausgesetzt hat oder Falsches verinnerlicht wurde.

Häufig fehle nahezu jeder Bezug dazu, wofür die Zahlen stehen, „oft lernen die Kinder sie einfach auswendig“.

Mit einem Vergleich illustriert Lampke dieses Problem: „Stellen Sie sich vor, ich bitte Sie, das Alphabet rückwärts von T bis K aufzusagen. Das geht viel schwerer als vorwärts, weil wir die Reihenfolge der Buchstaben nur auswendig gelernt haben.“

Ähnlich schwierig sei es für Dyskalkuliker, die Zahlenreihe rückwärts aufzusagen, beispielsweise beim Subtrahieren.

Es fehle dabei die Vorstellung von den Mengen, die sich hinter den reinen Zahlennamen verbergen.

Beate Lampke, Dipl.-Psych, Institutsleiterin

Gerd Schulte-Körne testete Paul, als der in der vierten Klasse war. Dabei begutachtete der Klinik-Direktor Pauls psychische und soziale Entwicklung und seine Rechenfähigkeiten im Vergleich zu denen Gleichaltriger. Das Ergebniswar eindeutig, Pauls Mathe-Kompetenz sei klar unterdurchschnittlich. Seit zwei Jahren ist er deshalb in Behandlung am Dyskalkulie-Institut. Die Therapie muss Familie Goetz selbst bezahlen.

„Super macht Paul das“, sagt Therapeutin Röpfl. Viele Defizite hätten die beiden zusammen schon aufgearbeitet: Addition, Subtraktion, Zehnerübergang. „Das große Thema ist jetzt die Multiplikation, das muss klappen, bevor demnächst die Brüche drankommen.“ Andere Kinder müsse man erst einmal hinter dem Ofen hervorlocken, sagt Röpfl, dabei sei vor allem die Seelsorgerin in ihr gefragt. „Es ist fatal, Mathe wird oft mit allgemeiner Intelligenz gleichgesetzt.“

Doch schon die Diagnose helfe: „Dann ist die Dyskalkulie das Problem und nicht mehr ich selbst.“ Trotzdem dauere es oft lang, bis die Kinder merken: „Ach, ich bin ja gar nicht so blöd.“

Paul hat die Kreide inzwischen weggelegt und auf einem Stuhl in der Mitte des Therapiezimmers Platz genommen. Röpfls durchdringender Blick von der anderen Seite des kleinen Tisches hält ihn bei der Sache – bei den Quadratzahlen. Manchmal krabbeln Pauls Hände gefährlich nahe an einen Becher voller Stifte heran. Behutsam zieht Röpfl diesen mit ihrer rechten Hand zu sich, verhindert damit subtil den Ablenkungsversuch. Mit der linken weist sie auf einen Stapel bunter Stangen, die vor Paul auf dem Tisch liegen.

Paul steckt Würfel zusammen

Diese Stangen sind grün, rot und blau, zusammengesteckt aus je sechs kleinen Würfeln.

Paul zählt Würfel ab

Flach auf den Tisch gelegt ergeben sechs solche Sechserstangen ein quadratisches Feld. Größe: sechs mal sechs gleich 36.
Karin Röpfl zeigt auf ein Quadrat aus Steck-Würfeln So wird aus der Quadratzahl ein greifbares Quadrat, aus einer womöglich nur auswendig gelernten Rechnung eine Fingerübung mit echten Mengen.

Pauls Herausforderungen

Paul ist an diesem Nachmittag fröhlich. Grinsend berichtet er seiner Therapeutin von einer Geometrie-Probe, auf die er eine Eins bekommen hat. „Wozu brauchst du mich denn überhaupt noch?“, fragt Röpfl und lacht. Wie vielen Menschen mit Dyskalkulie fällt Paul der Umgang mit Bleistift und Geodreieck leichter als das Einmaleins. Seine Finger, die zögerlich das bunte Klötzchen-Quadrat zusammenstecken, zeigen indes die Spuren innerlicher Anspannung. Wund ist die Haut um seine Nägel. Paul ist derzeit versetzungsgefährdet. Er wiederholt die fünfte Klasse der Samuel-Heinicke-Realschule in Nymphenburg. Ob er am Ende dieses Schuljahres vorrücken darf, hängt von seiner Mathenote ab. Gerade steht er zwischen Fünf und Sechs. Eine Eins allein reicht da nicht aus.

Auf die Realschule kam Paul nahezu problemlos, mit seinem Schnitt hätte er auch das Gymnasium besuchen können. „Mathe war aber schon immer eine Herausforderung für ihn, in der vierten Klasse hatte er einfach eine gnädige Lehrerin“, erzählt Kathrin Goetz im Wartezimmer des Mathematischen Instituts. Jeden Donnerstag begleitet die Innenarchitektin ihren Sohn hierher. „Mein Mann und ich haben uns überlegt, dass die Realschule für Pauli besser ist“, sagt Goetz und nickt liebevoll in Pauls Richtung. Der hört seiner Mutter aufmerksam zu. Geschont werden will er nicht, ganz offen spricht er über seine Dyskalkulie. „Mit meinen Freunden rede ich auch darüber, meine beste Freundin hilft mir manchmal sogar bei den Hausaufgaben“, sagt er.

Pauls Augen leuchten, wenn er von seinem Alltag abseits der Schule erzählt – dem Alltag eines zwölfjährigen Jungen: Gerne würde er später einmal Porsche fahren, am liebsten spiele er Fußball mit Freunden und klettere.

Paul grübelt im Therapieraum am Fenster

Und doch wirkt Pauls Freude zerbrechlich, so als lauerten gleich dahinter die Sorgen.

Am allerliebsten wäre er mit seinen engen Freunden in einer Klasse, „aber die sind alle auf dem Gymnasium“.

Dass Paul die Samuel-Heinicke-Realschule besucht, hat mehrere Gründe. Die Schule ist in privater Trägerschaft der Augustinum-Gruppe, staatlich anerkannt. Maximal ein Dutzend Schülerinnen und Schüler werden in einer Klasse unterrichtet, Paul und anderen Kindern mit besonderem Förderbedarf kommt das entgegen.

Außerdem ist Paul auf dem rechten Ohr nahezu taub. Inmitten seiner braunen Haare sitzt kaum sichtbar eine blaue Hörprothese, ein Cochlea-Implantat. Nicht zu laut sollte es in seiner Klasse deshalb zugehen, die Lehrerin muss deutlich zu verstehen sein. Hörprobleme können Lernstörungen wie Dyskalkulie verschärfen. Die Samuel-Heinicke-Realschule hat den Förderschwerpunkt Hören, hier sind die Klassenzimmer schallisoliert, unterrichtet wird zum Teil in Gebärdensprache, das Kollegium ist entsprechend geschult.

Schafft Paul es bis zum Ende dieses Schuljahres nicht auf eine Fünf in Mathe, muss er seine Schule verlassen. Die Realschulordnung verbietet es, eine Klasse zweimal zu wiederholen. Aus seinem Umfeld gerissen zu werden, ist eine psychische Herausforderung. Hinzu kommt, dass Paul nicht einfach auf eine beliebige Schule wechseln könnte. Eine andere Realschule mit Förderschwerpunkt Hören gibt es in München nicht.

Abhilfe durch Notenschutz?

Infrage käme für ihn allenfalls ein Wechsel auf eine Mittelschule. In vielen Fächern wäre er dort voraussichtlich unterfordert. Pauls Vater, Rechtsanwalt Axel Goetz, hofft auf einen anderen Weg. Die Krawatte selbst nach Feierabend noch eng gebunden, sitzt Goetz an einem Konferenztisch seiner Kanzlei. Er erzählt von seinem Sohn und seiner Hoffnung, ihm und anderen Schülern mit Dyskalkulie auf dem Rechtsweg zu helfen.

„Gleich mehrfach geschlagen“ sei Paul, beim Hören und beim Rechnen. Nun, da seine Versetzung auf der Kippe steht, „müssen wir dringend handeln“.

Anfang Januar hat Axel Goetz einen Antrag auf Notenschutz bei der zuständigen Schulbehörde eingereicht. Damit wäre Paul von der Bewertung im Mathe-Unterricht befreit. Notenschutz ist ein besonders starkes Instrument, das die Schulordnung zur Entlastung von Schülern vorsieht. So müssen Gehörlose beispielsweise nicht an Diktaten im Deutschunterricht teilnehmen, schlicht, weil es ihnen körperlich versagt ist. Die Vergleichbarkeit der Kinder kann mit Rücksicht auf Behinderungen eingegrenzt werden. Bestehen bleiben soll diese Vergleichbarkeit hingegen bei einem sogenannten Nachteilsausgleich, wenn Schülern beispielsweise mehr Zeit zur Bearbeitung einer Aufgabe eingeräumt wird. Bei Dyskalkulie sieht der Gesetzgeber in Bayern aktuell weder Nachteilsausgleich noch Notenschutz vor.

Ende Januar lehnte die Schulbehörde Goetz’ Antrag auf Notenschutz ab, trotz Pauls mehrfacher Beeinträchtigung. Goetz legte daraufhin Widerspruch ein, die Sache liegt nun dem Realschul-Referat des bayerischen Kultusministeriums vor. Auf SZ-Anfrage bestätigt ein Sprecher des Ministeriums, dass der Antrag geprüft werde. Das Thema Dyskalkulie werde im Kultusministerium „intensiv mit Fachwissenschaftlern und Verbänden diskutiert“. Axel Goetz rechnet dennoch nicht mit Erfolg. Im nächsten Schritt wolle er dann vor dem Verwaltungsgericht klagen. Letztlich wäre auch der Gang vor den Bayerischen Verfassungsgerichtshof oder vor das Bundesverfassungsgericht denkbar. Je nach Urteil könnte deutschlandweit mehreren Hunderttausend Schülerinnen und Schülern geholfen werden.

Dyskalkulie und Legasthenie

Erst im November vergangenen Jahres hatte sich das Gericht in Karlsruhe mit einer Lernstörung befasst – der Legasthenie. Öffentlich wurde damals vor allem eine zentrale Entscheidung der Richter diskutiert: Bei Schülern, deren Leistungen im Lesen und Rechtschreiben nicht bewertet werden, kann dies im Zeugnis vermerkt werden – zur Chancengleichheit.

Goetz begrüßt diese Entscheidung, stellt jedoch einen anderen Aspekt der Urteilsbegründung in den Vordergrund: Die Richter erkennen Legasthenie darin als „Behinderung“ an und verweisen auf Artikel 3 des Grundgesetzes, wonach niemand „wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ dürfe. Die Defizite von Schülern mit Legasthenie, so begründet das Gericht, beruhten „auf einer medizinisch messbaren neurobiologischen Hirnfunktionsstörung“. Goetz wertet diese Argumentation als wichtigen Schritt. Es komme darin das Leid der Betroffenen zum Ausdruck, und auch ihr Anspruch auf „begabungsgerechte Beschulung“ durch Nachteilsausgleich und Notenschutz. Dies sei „eins zu eins auf die Dyskalkulie übertragbar“.

Mathebücher im Regal

Psychiater Schulte-Körne, den die Verfassungsrichter als Experten zur Legasthenie befragt haben, sieht ebenfalls „keinen Grund, warum die beiden Störungen unterschiedlich behandelt werden sollten“. Bei beiden gebe es in der Hirnforschung klare Hinweise auf einen neurobiologischen Hintergrund. Vor allem aber führten beide zu großem Leidensdruck bei Betroffenen, gerade in der Schule. In der von Schulte-Körne erarbeiteten Dyskalkulie-Leitlinie heißt es, die Benotung der Mathe-Leistungen sei für Betroffene „am besten auszusetzen oder geringer zu gewichten“, um eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht zu gewährleisten.

Auf Anfrage erklärt ein Sprecher des Kultusministeriums, dass sich „die Dyskalkulie deutlich von der Lese-Rechtschreib-Störung“ unterscheide. Im Fach Deutsch etwa könnten „Aufbau und Argumentation eines Aufsatzes auch dann bewertet werden, wenn die Rechtschreibung in die Notengebung nicht einfließt“. Bei einem „Verzicht auf die Bewertung der Rechenleistung“ hingegen könnte im Mathe-Unterricht schlichtweg „keine Note vergeben werden.“ Somit seien die „Voraussetzungen für einen Nachteilsausgleich nicht erfüllt“.

Diese Argumentation möchte Axel Goetz nun anfechten: „Wenn man das weiterdenkt, hieße es, dass eine leichtere Behinderung besser behandelt wird als eine schwere.“ Diese Ungleichbehandlung, die statistisch gesehen etwa ein Kind pro Schulklasse betrifft, sei verfassungswidrig.

Die Dinge besser verstehen

Gudrun Tischner-Remington leitet die Samuel-Heinicke-Realschule und ist mit dem Problem Dyskalkulie vertraut. Von Pauls Mathelehrerin und anderen Kollegen weiß sie, wie groß die Belastung für Schüler und Lehrer ist. Zu sehen, dass Kinder wie Paul wegen ihrer isolierten Defizite Gefahr laufen, die Schule verlassen zu müssen, „das tut weh“, sagt Tischner-Remington.

Erleichterungen in Prüfungen seien aktuell jedoch nicht denkbar, „als staatlich anerkannte Realschule gelten für uns dieselben Regeln wie für alle anderen“. Ihre Schule habe immerhin den Vorteil, dass speziell geschultes Personal hier vergleichsweise kleine Klassen unterrichte. Wichtig sei, die Kinder im „Rahmen der Vorgaben gerecht zu fördern“, und vor allem, ihnen den Frust zu nehmen.

Auch Institutsleiterin Lampke betont: „Bei der Therapie geht es viel ums Selbstwertgefühl“, um Blockaden und Ängste. Das gelte für Erwachsene genauso wie für Kinder.

Ob Dyskalkulie heilbar ist? Für Lampke greift diese Frage zu kurz. Wichtiger als die Ergebnisse der Hirnforschung sei, jedem Betroffenen eine passende Therapie anzubieten. „In der Regel können wir gute Erfolge erzielen“, sagt sie. Klinik-Direktor Schulte-Körne bemerkt, wie hilfreich eine Diagnose mit neurobiologischer Begründung sein kann. „Dyskalkulie begleitet die Betroffenen in gewisser Weise ein Leben lang“, sagt er. „Mit einer frühzeitigen und zielgerichteten Behandlung können viele Defizite ausgeglichen werden. Man kann lernen, sich und seine Dyskalkulie zu akzeptieren.“

Am Ende seiner Therapiestunde erzählt Paul von einer Mathe-Aufgabe, bei der er „eine komplizierte Kommazahl“ mit zwei multiplizieren musste, um einen Durchmesser zu errechnen. Die Idee von Radius und Durchmesser habe er verstanden, an der Rechnung sei er dann aber gescheitert. Karin Röpfl ist enttäuscht vom Förderangebot des Schulsystems: „Es gäbe viele Möglichkeiten, den Kindern entgegenzukommen“, sagt sie.

Paul schreibt auf kariertes Papier

Notenschutz sei dabei eines der letzten Mittel. Schon mit einem einfacheren Zahlenbeispiel hätte Paul die Aufgabe lösen können. Und auch Hilfsmittel wie eine Einmaleins-Tabelle könnten ihm über die Hürde der Grundrechenarten helfen.

Pauls Sitzung an diesem Donnerstag ist jedenfalls erfolgreich. „Ich habe schon das Gefühl, dass ich das jetzt besser verstehe“, sagt er fröhlich – und meint damit die Quadratzahlen.


Autor: Leon Lindenberger, Fotos: Catherina Hess
© Süddeutsche Zeitung, München, Sa./So. 2024-04-13/14
und online unter
>> https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/muenchen/
dyskalkulie-schule-rechenschwaeche-muenchen-klage-e112701/


Obige Textfassung wurde ebenso wie der folgende kompakte PDF-formatige Text vom Mathematischen Institut zur Behandlung der Rechenschwäche / Dyskalkulie aus dem Text- und Bild-Material der Süddeutschen Zeitung zusammengestellt.
>> „Die Quadratur der Zahlen“ (obiger Artikel aus der SZ als PDF-Text zum Ausdrucken)


Die Internet-Adresse dieses Textes lautet:
https://www.Rechenschwaeche.de/Presse_TV_Radio/Die_Quadratur_der_Zahlen_(SZ).html

©  2024, Mathematische Institute zur Behandlung der Rechenschwäche / Dyskalkulie – München – Augsburg – Regensburg – Rosenheim, Impressum

Wir behandeln Rechenschwäche bzw. Dyskalkulie (auch „Arithmasthenie“ genannt) in München, Augsburg, Regensburg, Rosenheim und jeweiliger Umgebung seit 1989.

So sind wir erreichbar: im Institut in der Brienner Straße 48, 80333 München, sowie an allen Therapieorten unter Tel. 089/5233142, Fax 089/5234283, per E-Mail an „Institut[at]Rechenschwaeche.de“.

Das Institut ist in Bayern in vielen Orten vertreten, u.a. in Augsburg, Herrsching, Holzkirchen, Kirchheim-Heimstetten, München (4x), Ottobrunn, Puchheim, Regensburg, Rosenheim, Unterhaching und Unterschleißheim.

Stand: 2024-05-15